Wasser ist ein prägendes Landschaftselement. In den letzten Jahrhunderten sind jedoch grosse Naturräume, in denen den Gewässern freier Lauf gelassen wird, immer seltener geworden. Heute sind die Fliessgewässer und Seeufer der Schweiz über weite Strecken durch Verbauungen beeinträchtigt. Zudem wurde der Gewässerraum durch die intensivierte menschliche Nutzung immer stärker eingeschränkt. Damit Gewässer als naturnahe Lebensräume dienen können, brauchen sie aber Raum.
Die Hochwasserereignisse der letzten Jahre haben deutlich gezeigt, dass Verbauungen an ihre Grenzen stossen und die Gewässer ihren ursprünglichen Raum zurückfordern. Aus diesen Gründen wurde das eidgenössische Gewässerschutzgesetz überarbeitet. In Zukunft sollen die Schweizer Gewässer wieder mehr Freiraum zur Erfüllung ihrer vielfältigen Aufgaben erhalten. Dazu sollen unter anderem die Sicherung des nötigen Gewässerraums und die extensive Bewirtschaftung dieser Flächen dienen.
Zweck und rechtliche Grundlagen
Am 1. Januar 2011 trat das revidierte Gewässerschutzgesetz (GSchG) in Kraft. Es legt fest, dass die Gewässer in der Schweiz naturnaher werden müssen und gibt die nötigen Massnahmen sowie die verantwortlichen Stellen vor. Neben der teilweisen Revitalisierung der Gewässer ist die Ausscheidung des Raumbedarfs der oberirdischen Gewässer durch die Kantone sowie dessen Berücksichtigung in der Richt- und Nutzungsplanung ein zentrales Element. Dieser sogenannte Gewässerraum besteht aus dem Gerinne und den beidseitigen Uferbereichen, welche direkt durch das Gewässer beeinflusst werden. Die Sicherung des Gewässerraums soll die Erfüllung der folgenden Gewässerfunktionen gewährleisten:
- die natürlichen Funktionen der Gewässer (Transport von Wasser und Geschiebe, Ausbildung einer Vielfalt von Ökosystemen sowie deren Vernetzung, Erhalt der Biodiversität, Verhinderung von Nähr- und Schadstoffeinträgen usw.)
- den Schutz vor Hochwasser (Gefahrenprävention, Interventionsraum zum Erstellen von Hochwasserschutzbauten)
- die Gewässernutzung (Erholung der Bevölkerung, Wasserkraftnutzung usw.)
Zulässige Nutzungen im Gewässerraum
Errichten von Bauten und Anlagen
Der Gewässerraum steht grundsätzlich dem Gewässer und seiner natürlichen Dynamik zur Verfügung. Aus diesem Grund dürfen in diesem Bereich nur standortgebundene, im öffentlichen Interesse liegende Anlagen wie Wanderwege, Brücken und Flusskraftwerke neu erstellt werden, wobei zur Füllung von Baulücken in dicht überbauten Gebieten Ausnahmen von diesem Grundsatz möglich sind. Bestehende Gebäude sind in ihrem Bestand grundsätzlich geschützt.
Landwirtschaft
Der Gewässerraum darf landwirtschaftlich ausschliesslich extensiv als Streuefläche, Hecke, Feld- und Ufergehölz, extensiv genutzte Wiese, Weide oder Waldweide genutzt werden und gilt somit als ökologische Ausgleichsfläche. Den Bewirtschaftern werden für diese Leistungen Abgeltungen gemäss Landwirtschaftsgesetz entrichtet. Im Gewässerraum dürfen keine Dünger und Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden.
Bisherige Regelung
Regelung in Wasserbau- und Baugesetzgebung
Vor Inkrafttreten des revidierten Gewässerschutzgesetzes fanden sich die Bestimmungen zum Gewässerraum in der Wasserbaugesetzgebung. Die Wasserbauverordnung verpflichtete zwar die Kantone den Raumbedarf der Gewässer festzulegen, der für den Schutz vor Hochwasser und die Gewährleistung der natürlichen Funktionen des Gewässers erforderlich ist, machte aber keine konkreten Aussagen über die Grösse des Gewässerraums. Aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung legte der Regierungsrat in den Jahren 2004 bis 2006 den Gewässerraum in den Gemeinden Kerns, Alpnach, Giswil und Engelberg im Rahmen der Genehmigung der Ortsplanungen provisorisch fest. Unabhängig von den gesetzlichen Bestimmungen über die Gewässerräume sind im Kanton Obwalden die Mindestabstände gegenüber Fliessgewässern und Seen in der kantonalen Baugesetzgebung geregelt.
Umsetzung der Gewässerraumausscheidung im Kanton Obwalden
Aufgrund des revidierten Gewässerschutzgesetzes wurden die Verfahren und Zuständigkeiten bei der Ausscheidung der Gewässerräume neu geregelt. Der Regierungsrat des Kantons Obwalden hat dazu präzisierende Ausführungsbestimmungen über die Ausscheidung der Gewässerräume erlassen, welche am 15. Juli 2012 in Kraft traten. Gemäss diesen Bestimmungen wird der Gewässerraum mit grundeigentümerverbindlichen Plänen und dazugehörigen Bestimmungen festgelegt. Die Gewässerraumpläne müssen nicht gleichzeitig für den ganzen Kanton in Kraft gesetzt werden, sondern können gemeindeweise, pro Gewässer oder auch gebietsweise erlassen werden.
Zuständigkeiten
Den Ausführungsbestimmungen entsprechend sind innerhalb der Bauzonen die Gemeinden für die Ausscheidung des Gewässerraums zuständig. Sie leiten das Verfahren ein, erarbeiten die Planentwürfe, hören die betroffenen Kreise an und führen die Planauflage durch, sofern das Bau- und Raumentwicklungsdepartement im Rahmen der Vorprüfung sein Einverständnis dazu gegeben hat. Eine Voraussetzung dafür ist, dass die Gemeinden ihre Zonenpläne und Baureglemente auf die Gewässerraumpläne abstimmen. Die überlagernden Gewässerzonen werden orientierend in den Zonenplänen dargestellt. Allfällige Einsprachen können bei der erlassenden Gemeinde eingereicht werden, die Behandlung erfolgt beim Bau- und Raumentwicklungsdepartement. Ausserhalb der Bauzonen sowie beim Alpnacher-, Sarner- und Lungerersee liegt die Zuständigkeit für die Erarbeitung der Gewässerraumpläne beim Bau- und Raumentwicklungsdepartement in Zusammenarbeit mit dem Amt für Landwirtschaft und Umwelt. Das Bau- und Raumentwicklungsdepartement hört auch die betroffenen Kreise an und führt das Planauflage- und Einspracheverfahren durch.
Erlass
Der Erlass der Gewässerraumpläne erfolgt innerhalb und ausserhalb der Bauzonen durch den Regierungsrat. Er behandelt gleichzeitig allfällige Beschwerden gegen einen Departementsentscheid. Bis zum Erlass der Gewässerraumpläne gelten die Übergangsbestimmungen gemäss revidierter Gewässerschutzverordnung. Die vom Regierungsrat provisorisch festgesetzten Gewässerräume der kommunalen Ortsplanungen wurden aufgehoben.
Übergangsbestimmungen und Stand der Arbeiten
Bis zum Erlass der Gewässerraumpläne kommen die Übergangsbestimmungen gemäss revidierter Gewässerschutzverordnung zur Anwendung. Diese Gewässerräume sind in der Regel grösser als der definitive Gewässerraum, was Einschränkungen für neue Bauten und Anlagen entlang der Gewässer zur Folge hat. Dementsprechend hat die Ausscheidung innerhalb der Bauzonen Priorität und ist unterdessen weitestgehend abgeschlossen, sowohl an den Fliessgewässern wie auch an den Seen.
Ausserhalb der Bauzonen besteht hingegen weniger rasch Handlungsbedarf, da die Nutzungseinschränkungen für die Landwirtschaft bei den Gewässerräumen gemäss den Übergangsbestimmungen zur Gewässerschutzverordnung erst nach der Festlegung der definitiven Gewässerräume zur Anwendung kommen. Aus diesem Grund werden diese Gewässerräume nicht priorität behandelt. Bei Hochwasserschutzprojekten muss der Gewässerraum jedoch im gesamten Projektperimeter, d. h. auch ausserhalb der Bauzonen, im Rahmen der Projektgenehmigung festgelegt werden.
Im Web-GIS des Kantons ist die laufend mit den neu ausgeschiedenen und in Kraft gesetzten Gewässerräumen aktualisierte Gewässerraumkarte einsehbar.